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DRUCKVERSION Die Zukunft hat begonnen

Fünf Jahre ist es her, da die Internationale Bauausstellung Fürst Pückler Land ihre Arbeit beendet hat. Zeit für eine Nach-IBA-Bilanz

von UWE RADA

Der blaue Würfel ist noch da. Und auch der Name wird wohl bleiben. Dennoch ist auf den IBA-Terrassen in Großräschen eine neue Zeit angebrochen. Die Zeit nach der Internationalen Bauausstellung Fürst Pückler Land. Eine Zeit, in der sich zeigen wird, was von den 30 Projekten übrig bleiben wird, die in den Jahren von 2000 bis 2010 die Lausitz bewegt haben. Klugerweise hat die Stadt, die nun für die Terrassen mit ihren drei Würfelhäusern überm neuen Großräschener See zuständig ist, in einer neuen Ausstellung den vergleichenden Blick gesucht. IBA meets IBA. Indem die Besucher in Großräschen auf das Ruhrgebiet, den Hamburger Sprung über die Elbe oder die IBA-Stadtumbau in Sachsen-Anhalt schauen, können sie sich selbst ein Bild davon machen, ob das große Buddeln in der Lausitz die Sache wert war.

Die wohl beruhigendste Botschaft hält dabei Großräschen selbst bereit. Denn dort, wo einst die IBA begonnen hatte, geht der große Landschaftsumbau auch fünf Jahre nach ihrem Ende weiter. An der Seestraße, in unmittelbarer Nähe der Terrassen, des Seehotels und der ehemaligen IBA-Geschäftsstelle, die nun ein Studienzentrum beherbergt, entsteht der neue Stadthafen. Im kommenden Jahr wird er fertig sein. Dann wird auch der Großräschener See weiter geflutet. Wenn der 771 Hektar große See, der einmal der Tagebau Meuro der Ilse-Bergbau-Aktiengesellschaft war, 2018 vollgelaufen sein wird, soll die ehemalige Bergarbeiterstadt Großräuschen über eine Seepromenade von mehreren Kilometern Länge verfügen. Seestadt, das lange belächelte Label, ist dann Wirklichkeit geworden.

Dass der Großräschener See der letzte der 20 Seen ist, der in der neuen Lausitzer Seenlandschaft fertig sein wird, ist kein Zufall. "Als wir vor zehn Jahren unsere Pläne vorgestellt haben, waren viele Lausitzer skeptisch. Das hat sich völlig gewandelt", sagte Rolf Kuhn, Gründungsgeschäftsführer der IBA Fürst-Pückler-Land bei der Abschlussbilanz 2010. Dass sich der Blick auf die Landschaft tatsächlich verändert hat, verdankt die Lausitz den IBA-Terrassen. Schon ein Jahr nach der Eröffnung der Terrassen 2004 wurde 2005 die Seebrücke gebaut. Zu diesem Zeitpunkt war die Flutung noch ein Versprechen. Eine Seebrücke, die auf eine Wüste zeigt? Auch die blauen Würfel mit der Aufschrift SEE waren eher ein Wechsel auf die Zukunft. Selten war das Werden einer Landschaft so inszeniert worden wie in Großräschen, dem Auftaktgebiet der IBA-Fürst-Pückler-Land.

Inzwischen aber hat der Großräschener See Gestalt angenommen. Nun, da das Wasser in der Sonne glänzt, braucht man nicht mehr so viel Phantasie, um sich den Schlussakkord im Lausitzer Seenland vorzustellen. Seit 2007 geflutet, ist er inzwischen nahe an die Terrassen und die Seebrücke herangerückt. Wer im Café an der IBA-Terrassen einen Cocktail nimmt, schaut überdies über die Weinberge, die bereits einen Jahrgang hervorgebracht haben. Der Pinotin mit dem Label "Premiere rot" der Weinlese 2014 muss sich tatsächlich nicht verstecken.

Doch nicht überall war die IBA so erfolgreich wie in Großräschen. Eines der ambitioniertesten Vorhaben musste bereits 2007 verabschiedet werden. Auf dem Gelände des noch bestehenden Tagebaus Welzow-Süd sollte auf einer Fläche von 700 Hektar eine so genannte "Wüste-Oase" entstehen. Das Projekt wäre ganz nach dem Geschmack von Kuhn gewesen, der schon 2005 betont hatte, in der Lausitz solle keine Bergbaufolgelandschaft aus dem Katalog entstehen, sondern eine "Zeitmaschine", die dem industriellen und vorindustriellen Erbe ebenso verpflichtet ist wie der postindustriellen Zukunft. "Wälder und Seen gibt es überall", fand Kuhn. "Wälder und Seen neben stillgelegten Kraftwerken und Abraumförderbrücken sind dagegen einmalig. Das bringt uns auch die Touristen aus Dresden und Berlin."

Die Wüste-Oase wäre ein solches drittes Landschaftsbild gewesen, keine Renaturierung mit Aufschüttungen und Kiefern, wie sie die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) mittlerweile routiniert beherrscht, aber auch kein See, diese etwas teurere, aber auch zukunftsversprechendere Variante einer Bergbaufolgelandschaft. Ein ehemaliger Tagebau, der Natur überlassen, hätte die "Zeitmaschine" sichtbar gemacht – in der Abfolge von ursprünglicher, geschundener und inszenierter Landschaft. Freilich scheiterte das Vorhaben am Widerstand von Lokalpolitikern. Zu viel ungenutzte Fläche, lautete das Argument, zu große Umwege und, wenn der Wind aufkommt, zu viel Sandstürme.

Auch in Plessa war vieles ins Stocken geraten. Aus dem einstigen Kraftwerk sollte ein Erlebniskraftwerk werden, in dem ein Teil der Menschen, die zuvor in der Energielandschaft Lausitz gearbeitet haben, nun im Dienstleistungssektor unterkommen. Doch aus den meisten Plänen, darunter einer Brauerei, ist nichts geworden. Nach der Insolvenz kaufte ein Berliner Anwalt 2014 das Kraftwerk und will es zum "angesagtesten Veranstaltungsort zwischen Berlin und Dresden" machen. Ob es gelingt?

Schwierigkeiten gab es auch im Lagunendorf Sedlitz, einem ambitionierten Immobilienprojekt bei Senftenberg. Wäre es nach der IBA gegangen, wären am Sedlitzer See auf einer Landzunge 500 Meter lange und 50 Meter breite Einbuchtungen gegraben worden, so dass die Landzunge künftig nur noch aus Landfingern mit zahlreichen Wassergrundstücken bestanden hätte. Weil aber nach dem Ende der IBA die Stadt Senftenberg, zu der Sedlitz gehört, finanziell in Vorleistung hätte gehen müssen, wurde das Projekt zunächst eingemottet. Nun wird es in einer abgespeckten Variante diskutiert. So könnten am Ende doch noch ein Lagunendorf mit hundert Häusern entstehen. Immerhin.

Die Probleme zeigen, dass nach dem visionären Schub, mit dem die IBA die Lausitz zu einem Ideenland gemacht hat, die Mühe der Ebenen folgt. Finanziell auf sich allein gestellt, regiert in den Kommunen der Pragmatismus. Auch das gehört zur Nach-IBA-Bilanz.

Aber da sind ja noch die Leuchttürme. Neben Großräschen und dem "rostenden Nagel der Lausitz", einem 30 Meter hohen Aussichtsturm zwischen dem Sedlitzer und dem Geierswalder See ist das vor allem die Abräumförderungbrücke F 60 in Lichterfeld. "Im Jahr kommen inzwischen 60.000 bis 80.000 Besucher", sagt einer der ehemaligen Bergleute, die inzwischen auf Honorarbasis als Führer einen Job gefunden haben.

Die F 60, dieser "liegende Eiffelturm", ist damit nicht nur zur Marke geworden, die weit über die Lausitz hinaus bekannt ist. Sie schreibt auch schwarze Zahlen. Die Gemeinde Lichterfeld gehört damit zu den Gewinnerinnen der IBA. Und der Lausitz ist es, trotz aller Probleme gelungen, ihr Image zu ändern. Trotz aller Probleme bleibt vieles in Bewegung auf der einst größten Landschaftsbaustelle Europas.



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